17. November 2022 | Menschen

Auch ungebundene Vermittler/-innen laufend überprüfen

Blog Geissbuehler - VBV - Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft

Mit dem revidierten Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erweitern sich auch die Aufgaben der FINMA im Zusammenhang mit Versicherungsvermittler/-innen. Markus Geissbühler, Division Operating Officer und stellvertretender Leiter Versicherungsaufsicht bei der Finanzmarktaufsicht (FINMA), erklärt, wohin die Reise geht und wie sich die FINMA dafür aufstellt.

Wie sieht die Vermittler-Landschaft in der Schweiz aktuell aus?

Im FINMA-Register sind heute rund 7400 ungebundene Versicherungsvermittler/-innen und 8530 Gebundene eingetragen. Da letztere sich rein freiwillig registriert haben, liegt die tatsächliche Zahl an gebundenen Vermittlerinnen und Vermittlern bzw. der im klassischen Direktvertrieb tätigen Mitarbeitenden wesentlich höher. Die ungebundenen Versicherungsvermittler/-innen sind vorwiegend selbstständig tätig oder als kleinere Firmen mit weniger als drei Mitarbeitenden organisiert. Nur zirka 50 Unternehmen verzeichnen mehr als 10 Mitarbeitende.

Wie hat sich die Vermittler-Landschaft in den letzten Jahren entwickelt, welche Trends sind sichtbar?

Der Vermittlermarkt ist stets in Bewegung. Viele neue Anbieter drängen in den Markt, Umstrukturierungen, Unternehmenszusammenschlüsse, Kooperationen oder Beteiligungen auch gerade in Verbindung mit der Versicherungsindustrie sind zu beobachten. Dies macht sich auch bei unserer Registrierungstätigkeit bemerkbar. Die FINMA verzeichnet alljährlich eine hohe Zahl an Mutationen. Die Neuregistrierungen sind jedoch jeweils deutlich zahlreicher als die Deaktivierungen, und so ist in den letzten Jahren die Anzahl an Registrierten stetig gestiegen. Neue Vertriebsideen, digitale Vertriebsmöglichkeiten und -plattformen befeuern zusätzlich die Marktdynamik.

Das Versicherungsaufsichtsgesetz bezweckt den Schutz der Versicherten. Was sind die grössten Probleme damit?

Im Hinblick auf den Versichertenschutz stehen mögliche Interessenskonflikte im Zusammenhang mit überteuerten Provisionen im Vordergrund. Dieses Thema betrifft mit Blick auf die Gestaltung der Versicherungsprämie auch die Aufsicht. So war die Höhe der Provisionierung in der Krankenversicherung in den letzten Jahren vermehrt ein Thema, das auch in der Öffentlichkeit und politisch diskutiert wurde.

In den letzten Jahren gab es zudem viele Beschwerden von Konsumentinnen und Konsumenten, die sich im Rahmen einer Versicherungsvermittlung nicht korrekt und professionell behandelt fühlten. Dabei ging es etwa um störende Telefonanrufe, verbunden mit unwahren, unangebrachten Botschaften, oder ungenügende Informationen über Produkte oder Risikoträger. Versicherungsprodukte mit komplexen Leistungen oder sehr hohen oder mehrjährigen Zahlungsströmen sind besonders sensibel und müssen zum Schutz der Versicherten angemessen und verständlich erläutert werden. 

Was ist die markanteste Änderung in Bezug auf die Mindeststandards in der Aus- und Weiterbildung für VV?

Es besteht nun eine vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit, dass die Branche sich selbst organisieren und Mindeststandards aufstellen kann. Das revidierte VAG beinhaltet die Anforderung zur obligatorischen Aus- und Weiterbildung für alle Marktteilnehmenden. Somit gibt es zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittler/-innen gleich lange Spiesse. Die neuen Mindeststandards spielen eine wichtige Rolle, um die angesprochenen Qualitätsthemen anzugehen. Hierzu werden in der Aufsichtsverordnung (aktuell noch im Entwurf) die wichtigsten Eckpunkte dieser Aus- und Weiterbildung durch den Bundesrat festgehalten. Eine Versicherungsvermittlerin oder ein Versicherungsvermittler muss bei Aufnahme der Tätigkeit nachweislich über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Die Art dieses Nachweises (Prüfung, Diplom etc.) ist im Rahmen des Mindeststandards festzulegen. Schliesslich muss es für die Versicherten möglich sein, sich über die abgeschlossene Aus- und Weiterbildung des Versicherungsvermittlers informieren zu können.

Wie ändert sich das Mandat der FINMA in Zukunft?

Am stärksten betrifft uns die neue, laufende Beaufsichtigung von ungebundenen Versicherungsvermittler/-innen. Diese erweiterte Aufgabe der FINMA beinhaltet die Überprüfung des Geschäftsverhaltens am Point of Sale (z.B. Vermeidung von Interessenskonflikten, Einhaltung der Informationspflichten) und generell die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung. Dabei muss mit einer grossen Menge von Daten und Informationen umgegangen werden können. Die FINMA bereitet sich darauf vor, dass vermehrt digitale Mittel und Strategien unterstützend zur Bewältigung der grossen Masse eingesetzt werden. Im Bereich der laufenden Beaufsichtigung, der Behandlung von Beschwerden und Verfahren und der Digitalisierung werden denn auch die Ressourcen der FINMA ausgebaut.

Die Registrierungsvoraussetzungen werden auch erweitert, was zu Prozessanpassungen führen wird. Gleichzeitig lösen wir das bisherige Online-Registrierungstool durch eine effiziente, den neuen Regulierungsvorgaben angepasste Lösung ab. Zur Bewältigung der Übergangsphase, wo Informationsnachreichungen notwendig werden, erwarten wir eine zusätzliche deutliche Ressourcenbelastung. Daneben wird die FINMA die neuen Mindeststandards im Bereich der Aus- und Weiterbildung anerkennen müssen.

Was muss zusätzlich explizit für den Krankenversicherungsbereich geregelt werden?

Die gesetzliche Vorlage dazu befindet sich noch in der parlamentarischen Behandlung. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die FINMA ein verstärktes Mandat betreffend die Beaufsichtigung von Vermittlertätigkeiten in der Krankenzusatzversicherung erhalten wird. Dies könnte beispielsweise die Provisionshöhe oder die Telefonakquise betreffen.