02. September 2025 | Menschen
Berufung statt Beruf: So prägte Günther Engler 27 Jahre Berufsbildung

02. September 2025 | Menschen
Mit viel Engagement und Herzblut hat Günther Engler während 27 Jahren die überbetrieblichen Kurse für die Lernenden der Kantone Graubünden und Glarus organisiert und als üK-Trainer unterrichtet. Zusätzlich war er als Dozent für den Fachausweis Sachversicherung im Einsatz. Im Gespräch mit Simon Werren, VBV, blickt Günther Engler auf bewegte Jahre, grosse Veränderungen und spannende persönliche Begegnungen zurück.
Was hat dich motiviert, diese nebenamtliche Tätigkeit zu übernehmen?
Es war mir immer ein Bedürfnis, mein Fachwissen an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Ein schöner Nebeneffekt: Ich musste mein Wissen immer wieder auffrischen, um fachlich am Ball zu bleiben. Auch die Zusammenarbeit mit den Lernenden war immer etwas ganz Besonderes.
Welche Momente bleiben dir besonders in Erinnerung?
Es gab viele Highlights. Am meisten berührt hat es mich, wenn ich als Präsident der ASDA Graubünden Neumitglieder begrüssen durfte, die ich bereits aus der Lehre kannte oder die bei mir im Vorbereitungskurs zum Fachausweis waren.
Wie hast du die Zusammenarbeit über die Jahre hinweg erlebt?
Die Lernenden haben sich stark verändert. Wer heute noch frontal unterrichtet, hat verloren. In den ersten Tagen der Lehre sind viele noch offen für Neues – das gilt es zu nutzen. Früher konnten wir mit Zwischenprüfungen den Wissensstand besser einschätzen. Heute liegt mehr Verantwortung bei den Lernenden selbst. Ob das aufgeht, werden die nächsten Abschlussprüfungen zeigen.
Die Zusammenarbeit mit meinen üK-Trainern war immer ausgezeichnet (Anmerkung: Graubünden unterrichtet in den ÜK in Zweierteams). Das macht den Unterricht lebendiger und abwechslungsreicher – und gibt Raum für neue Ideen.
«Mein Wissen weitergeben zu dürfen, war immer ein Herzensanliegen»
Bei den Lehrbetrieben ist noch «Luft nach oben». Früher hatte ein Lernender meist eine feste Ansprechperson – und dank des Zweijahresturnus konnten ältere Lernende den Jüngeren gut helfen. Vor etwa vier Jahren merkten wir, dass die betriebliche Unterstützung abnahm – wohl auch wegen Personalabbau und Umstrukturierungen. Inzwischen erleben wir aber wieder eine bessere Zusammenarbeit, sowohl mit Gesellschaften als auch mit Maklern. Wünschenswert wäre eine bessere Koordination zwischen üK und betrieblichen Einsätzen – damit z. B. keine Personenversicherungs-Circles in den üK stattfinden, wenn der Lernende gerade in der Motorfahrzeug -Abteilung arbeitet.
Hat sich das Verhalten der Lernenden in diesen 27 Jahren verändert?
Ja, deutlich. Am Anfang war eine Lehre oft noch nach dem Motto «08/15» strukturiert. Gegen Ende bereitete man sich mit einer Repetition auf die LAP vor – fertig.
Später kamen ALS und PE dazu (ALS = Arbeits- und Lernsituationen, PE = Prozesseinheiten), ein sinnvoller Schritt. Uns fehlten aber teilweise klare Standortbestimmungen. Deshalb führten wir weiter Zwischenprüfungen nach dem ersten und zweiten Lehrjahr durch. Die Lernenden konnten so gezielt Wissenslücken schliessen.
Die neueren Generationen sind anspruchsvoller – im positiven wie im kritischen Sinn. Manche brauchen mehr Unterstützung, andere möchten schneller weiterkommen. Das hängt stark vom Ausbildungsbetrieb ab.
Auch die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Ursprünglich war der VBV Graubünden ein eigener Verein, und der Unterricht fand in den Sitzungszimmern der Versicherungsgesellschaften statt. Erst später wurde alles unter das Dach des VBV überführt und in der IbW (ibW Höhere Fachschule Südostschweiz) zentralisiert – ein wichtiger Schritt in der Professionalisierung der überbetrieblichen Kurse.
Was hat sich mit der Einführung der üK gemäss der Bildungsverordnung 2023 verändert?
Der Unterricht ist viel lebendiger und aktueller geworden. Die elektronischen Medien fordern die üK-Trainer/-innen zusätzlich. Der Zwischenstand wird heute direkt nach den üK ermittelt. Ob das Wissen auch langfristig hängen bleibt, werden die kommenden Lehrabschlüsse zeigen.
So gewissenhaft du die üK in dieser langen Zeit organisiert und geleitet hast, so gründlich hast du auch einen Nachfolger, Oriano Tschalèr, in die Aufgaben des üK-Regionenleiters eingeführt. Wie hast du diese Zeit erlebt und welche Ratschläge hast du deinem Nachfolger mitgegeben?
Oriano ist für uns wie ein Lottogewinn. Ich war nie ein Fan von abrupten Übergaben per Stichtag. Wir unterrichten schon länger zusammen und ticken ähnlich – das hat den Übergang sehr erleichtert. Ich konnte ihn bei der IBW, beim VBV und an allen wichtigen Stellen einführen. Die Verantwortung für die alten, auslaufenden üK habe ich behalten, er übernahm schrittweise die neuen nach BiVo 2023.
Natürlich war ich anfangs bei den neuen üK auch noch dabei – einerseits, um mein Wissen aufzufrischen, andererseits, um als «Joker» verfügbar zu sein. Oriano hat in dieser Zeit nicht nur seine anspruchsvolle Ausbildung zum Pensionskassenleiter mit eidgenössischem Diplom abgeschlossen, sondern auch noch sein Haus gebaut. Bei unserer Übergabesitzung – die er souverän geleitet hat – dachte ich: «Was soll ich hier eigentlich noch beitragen?» Genauso soll ein Stabwechsel sein. Oriano hat einen guten Draht zum Team – und ich weiss, dass die üK bei ihm in besten Händen sind.