22. Juni 2021 | Menschen

«Es darf nicht darum gehen, Produkte zu verkaufen»

Martin Engelhart - VBV - Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft

Martin Engelhart ist mit Leib und Seele Versicherungsfachmann. Er könnte sich aber auch vorstellen, ein Hotel zu führen, er war schon immer vielseitig interessiert, segelt leidenschaftlich gerne und ist eher zufällig in der Versicherungsbranche gelandet. Seinen Beruf findet er aber inzwischen spannend. Im Interview erzählt er von seiner Faszination für eine komplexe Branche und den Voraussetzungen, die ein guter Versicherungsfachmann idealerweise mitbringt.

Was war der erste Berufswunsch, an den Sie sich erinnern können?

Es war irgendetwas mit Garten, Pflanzen und Bagger fahren. Landschaftsgärtner also. So richtig verliebt habe ich mich aber in die Vorstellung und den Wunsch, ein Hotel zu führen, Gastgeber zu sein, Genuss, Erlebnis und Entspannung zu bieten. Diese Idee lässt mich bis heute nicht los – vielleicht realisiere ich diesen Berufswunsch in Kleinstform irgendwann einmal noch.

Wie kam es dann zu dem Berufswunsch, den Sie schliesslich realisiert haben?

Es gab noch einige andere Ideen, die alle viel mit Menschen und Dienstleistung zu tun haben, ich habe mich auch für Luftfahrt, Medizin, und den Bildungsbereich interessiert. Und weil die Vielfalt so gross war, war die richtige Wahl umso schwieriger. Darum habe ich mich entschieden, in die betriebswirtschaftliche Ausbildung zu investieren, um mir Türen zu alle Branchen offen zu halten. Der Einstieg in die Versicherungswirtschaft war mehr zufällig bzw. entstand aufgrund einer super-spannenden Stellenausschreibung im Bereich Direktmarketing.

Was fasziniert Sie an der Arbeit in einem Versicherungsunternehmen? 

Anfänglich war es die Herausforderung, ein Produkt, das man nicht anfassen kann, vielleicht wenig Emotionen auslöst und mehr ein Muss- als ein Genusskauf ist, über einen neuen Kommunikationsweg zu positionieren und zu bewerben. Es wäre bedeutend einfacher gewesen, ein schönes rotes Auto mit wohlriechender Lederausstattung zum Kunden zu bringen - als eine Art Dienstleistung, von der man zwar weiss, dass man sie braucht, aber nicht wirklich will, weil meist zu teuer und der Nutzen vielleicht irgendwann in ferner Zukunft liegt. Es bedarf also einer vertieften Auseinandersetzung auf der Fach- und Emotionsebene, um diese Diskrepanzen aufzulösen und die Vorteile und den Nutzen von Versicherungslösungen motivierend und überzeugend darzustellen. Aus dieser Arbeit entstand eine echte Faszination für die Komplexität, Wirkung und Vielfalt dieser Branche.

Könnten Sie sich vorstellen, in einer ganz anderen Branche zu arbeiten? Wenn ja, wo am liebsten?

Es ist heute noch wie zu Beginn meiner Berufslaufbahn – mich interessiert vieles. Ich könnte mich überall dort sehen, wo es lebendig ist oder wo etwas Fassbares entsteht. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte bei der Arbeit kurz runter in die Werkhalle, um das Produkt, für das wir unser Bestes geben, sehen und anfassen zu können. Oder um Menschen einen unmittelbaren Nutzen zu geben. Spitaler, Flughäfen und Schreinereien faszinieren mich.

Was – ausser natürlich einer entsprechenden Ausbildung – macht eine/n gute/n Versicherungs-Sales aus?

Für mich ist das die Partnerschaft mit Kundinnen und Kunden. Es darf nicht darum gehen, Produkte zu verkaufen. Wir müssen ganzheitliche Lösungen anbieten, Sicherheit vermitteln oder Vertauensperson sein. So wie ein Arzt nicht Medikamente verkauft, sondern Partner für die Gesundheit ist. Langfristiges Denken und Handeln im Sinn einer ganzheitlichen Beziehung zahlt sich für alle Beteiligten aus.

Was wird in Zukunft bei Aus- und Weiterbildungen wichtiger, was weniger wichtig werden?

Einerseits werden die einzelnen Produkte und Dienstleistungen einfacher, verständlicher und damit auch digital und im Self-Service abschliessbar. Andererseits nimmt die Komplexität zu – sei dies in Bezug auf die Ansprüche und Erwartungen der Kundschaft, sei dies in der Kombination und Vielfalt von Lösungen. Produktwissen ist wichtig, aber abrufbar; Kundenverständnis, ganzheitliches und vernetzes Denken, Kombinationsfähigkeit und das Erkennen sich verändernder Lebenssituationen sind meines Erachtens Fähigkeiten und Werte, die sensibilisiert und immer wieder trainiert werden müssen.

Was gab für Sie den Ausschlag, sich für den Vorstand des VBV zur Verfügung zu stellen?

Durch meine Funktion und Tätigkeit bei AXA wurde mir auch das VBV-Vorstandsmandat übertragen. Ich habe es mit grosser Freude angenommen und fühle mich im Team und in den Themen extrem wohl. Die Versicherungsbranche trägt eine grosse Verantwortung ihren Kunden gegenüber – eben nicht nur im Sinne einer Leistungserbringung im vertraglich definierten Umfang, sondern auch in der professionellen, passgenauen und fairen Beratung und Betreuung. Dies setzt eine fundierte, umfassende und wiederkehrende Ausbildung voraus, die sich ständig weiterentwickelt und den gesetzlichen Vorgaben, aber auch den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung trägt. Die Auseinandersetzung mit diesem breiten Strauss an Aufgaben und Herausforderungen fasziniert mich.

Wie sieht für Sie ein gelungener Tag aus?

Wenn ich etwas bewegen und erreichen kann. Wenn ich mit Menschen in Kontakt komme und ein inspirierender Austausch entsteht. Und – gerade in dieser Jahreszeit – wenn ich am Abend noch kurz Zeit finde, die Segel zu setzen.