08. September 2025 | Lernmedien

Wie Empathie die Versicherungsvermittlung von heute prägt

Andi (Andrej) Beuth engagiert sich mit Herzblut für die Qualität in der Versicherungsvermittlung – als Vorstandsmitglied des VBV, ehemaliges SIBA-Vorstandsmitglied und als langjähriges Mitglied der Prüfungskommission (nominiert von der SIBA). Im Interview spricht er über Unterschiede zwischen Versicherungsbrokern und Versicherungsberatern und über Nachwuchstalente. Zudem erklärt er, warum Empathie der Schlüssel zum Erfolg in der Branche ist.

Du setzt dich mit viel Engagement für die Qualität in der Versicherungsvermittlung ein. Was bedeutet Qualität für dich persönlich, und woran erkennt man sie im Berufsalltag?

Was Qualität bedeutet, bestimmen letztlich die Kundinnen und Kunden. Für mich beginnt sie damit, mich in deren Situation hineinzuversetzen. In einem älteren Buch von Prof. Matthias Haller gibt es ein Zitat, das mich bis heute begleitet: «Was würde mein Kunde wollen, wenn er wüsste, was er bräuchte?». Spätestens im Verlauf der Zeit merken Kundinnen und Kunden, ob jemand nur eine studierte Verkaufsshow abzieht oder ob echte Kompetenz dahintersteckt.

Echte Empathie ist dabei die Basis. Ohne Empathie hilft das grösste Fachwissen nichts. Sich langfristig für die Kundinnen und Kunden einzusetzen und sich fachlich fit zu halten, sind für mich zwei wichtige Elemente. Und natürlich gehört auch eine angemessene Reaktionszeit im Alltag dazu.

Fachkompetenz bleibt wichtig. Ich muss nicht in allen Branchen der oder die Beste sein, aber ich muss wissen, wo und wie ich an diese Informationen und Märkte komme, um sie für meine Kundinnen und Kunden zugänglich zu machen. Wenn die Beratung oder die Fachkompetenz nicht überzeugt, wenden sie sich schnell ab.

Ohne Empathie hilft das grösste Fachwissen nichts.

Du kennst beide Seiten, die Brokerwelt und die Arbeit gebundener Versicherungsvermittler/-innen. Wo siehst du die grössten Unterschiede in der Praxis, und was könnten beide Seiten voneinander lernen?

Die Kundinnen und Kunden entscheiden. Und sie entscheiden sich für beide «Welten». Deshalb braucht es auch in Zukunft beides. Die Versicherungsbroker müssen weiterhin Veränderungen frühzeitig erkennen und entsprechend vorbereitet sein, etwa bei regulatorischen Entwicklungen oder bei neuen Markttrends, die auf die Schweiz zukommen. Der wesentliche Unterschied ist die unabhängige Beratung. In diesem Zusammenhang wäre «Versicherungstreuhänder» vermutlich der treffendere Begriff als «Versicherungsbroker». Denn Broker sind ihren Kundinnen und Kunden verpflichtet – so wie Treuhandunternehmen oder Anwältinnen und Anwälte. Es geht um viel mehr als um blosse Versicherungsvermittlung.

Gebundene Versicherungsvermittler/-innen stehen in einem Anstellungsverhältnis bei einer Versicherungsgesellschaft oder Krankenversicherung – mit entsprechender Treuepflicht gegenüber der Arbeitgeberin. Das schliesst eine gute Beratung nicht aus, ist aber ein anderes Modell als die unabhängige Beratung durch Versicherungsbroker.

Beide Seiten können voneinander lernen. Broker geben den Versicherungsgesellschaften oft Einblick in Marktbereiche, in denen es noch keine oder nur unzureichende Lösungen gibt, und ermöglichen so gemeinsame Entwicklungen.

Die regionalen Ansprechpartner/-innen bei den Versicherungsgesellschaften – Krankenversicherungen eingeschlossen – mit den vielen Agenturen vor Ort sind hingegen ein Trumpf für die gebundenen Versicherungsvermittler/-innen. Die Basler wollen kaum von einem Zürcher betreut werden, nicht einmal während der Fasnacht. Auch wenn es einige Versicherungsbroker gibt, die auch regional gut aufgestellt sind: Ein so dichtes Agenturnetz wie die Versicherungsgesellschaften hat kein Versicherungsbroker.

Als langjähriges Mitglied der Prüfungskommission begleitest du den Branchennachwuchs ganz nah. Was beeindruckt dich an angehenden Versicherungsvermittler/-innen besonders, und wo siehst du Entwicklungspotenzial?

Mich beeindruckt jedes Jahr aufs Neue, mit wie viel Einsatz sich die Teilnehmenden zusätzlich zum Berufsalltag weiterbilden. Auch die Bereitschaft, sich auf neue Formate wie hybride oder digitale Angebote einzulassen, ist bemerkenswert. Insbesondere Letzteres erfordert ein hohes Mass an Disziplin und Motivation.

Entwicklungspotenzial sehe ich beim Übergang in nachfolgende Weiterbildungen nach der Prüfung zum/zur Versicherungsvermittler/-in VBV – etwa in Richtung Versicherungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis und/oder Dipl. Versicherungswirtschafter/-in HF. Hier sind auch wir als VBV und Branche gefordert, diesen Talenten unsere vielseitige und spannende Berufswelt schmackhaft zu machen.

Für die Versicherungsbroker sehe ich ebenfalls Entwicklungspotenzial. Für Fachspezialistinnen und -spezialisten braucht es sinnvollere Prüfungsformate. Beispielsweise macht es aus Sicht des Kundenschutzes wenig Sinn, dass Cyber- oder BVG-Fachspezialistinnen und -spezialisten eine Prüfung über Privathaftpflicht- und/oder Autoversicherungen ablegen müssen. Im Moment ist es nicht anders möglich. Auch andere Anspruchsgruppen werden ihre Optimierungswünsche im Verlauf der Zeit kommunizieren.

Die heutige Lösung für die neue Prüfung zum/zur Versicherungsvermittler/-in VBV wird im Markt aus meiner Sicht zu wenig geschätzt, weil viele nicht wissen, was der VBV und andere Involvierte erreicht haben. Die Vorgaben der FINMA, die hohe Anzahl Prüfungen, der knappe Zeitrahmen und die unterschiedlichen Interessen der Anspruchsgruppen (Versicherungen, Krankenkassen, Versicherungsbroker) machten es zu einer echten Herausforderung, eine pragmatische Lösung zu finden.

In einem nächsten Schritt – und mit etwas mehr Vorlaufzeit – müssen aus Sicht des sinnvollen Kundenschutzes und der Praxis bessere Lösungen für Versicherungsbroker und Beratende im Firmenkundengeschäft gefunden werden.

Eine Überprüfung der Spezialfälle halte ich für angebracht. Wenn Branchenfremde sich in die Versicherungsindustrie wagen wollen, sollen sie die gleichen hohen Anforderungen erfüllen müssen. Der Spezialfall für das Garagengewerbe, bei dem die Vermittlung auf motorfahrzeugspezifische Produkte beschränkt ist, mag aus betriebswirtschaftlicher oder politischer Sicht für einige Stakeholder nachvollziehbar sein. Ob er jedoch dem von der FINMA geforderten Kundenschutz gerecht wird und denselben Anspruch wie die reguläre Prüfung zum/zur Versicherungsvermittler/-in VBV erfüllt, bezweifle ich.

Wenn Branchenfremde sich in die Versicherungsindustrie wagen wollen, sollen sie die gleichen hohen Anforderungen erfüllen müssen.

Du bist im VBV in verschiedenen Rollen aktiv. Was hat dich zu diesem Schritt motiviert, und welche Themen liegen dir dabei besonders am Herzen?

Meine ersten Einsätze als Prüfungsexperte und Dozent hatte ich vor rund 25 Jahren, damals zu den Themen «Versicherungswirtschaft» und «BVG». Seither habe ich immer wieder neue Aufgaben übernommen, andere abgegeben. Ich bin sehr dankbar für die Weiterbildungen, die ich selbst absolvieren durfte, und möchte mithelfen, dass auch andere diese Möglichkeiten erhalten.

Mir ist es wichtig, dass unsere Expertinnen und Experten sowie Dozierenden aus der Praxis kommen, also selbst regelmässig mit Kundinnen und Kunden zu tun haben. Nur so können wir den Nachwuchs realistisch auf den Beratungsalltag vorbereiten. Wer seit Jahren keine Kundengespräche mehr führt, ist aus meiner Sicht zu weit weg. Von der Praxis für die Praxis – das ist mein Anliegen.